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Ein Stück Karton, mit leicht abgerundeten Ecken, liegt auf einen Tisch. Einsam ……. und verlassen. Auch sonst ist der Tisch leer, vollkommen leer. Aber man sieht es dem Tisch an, dass dies nicht immer so war. Er ist gezeichnet vom Leben. In früherer Zeit musste hier reges Treiben geherrscht haben, so wie der Tisch abgenutzt ist. Hier eine Schramme, dort eine Schramme. Rundherum abgenutzt. Der Tisch ist quadratisch und steht in einem Raum, einem leeren Raum. Er sieht unbewohnt aus, es war sicherlich schon lange keiner mehr hier. Außer dem Tisch und dem Kartonstück darauf ist nichts in diesem Raum. Aber sonst ist alles da, was einen Raum ausmacht: 4 Wände, 3 Fenster, eine Decke, eine alter Holzboden, 2 Lichtschalter, 3 Steckdosen. Anstelle eines Lusters ist nur ein Loch wo die Stromkabel rausschauen. Aber es geht in der Geschichte nicht um den Raum – und auch nicht um den Tisch. Sondern vielmehr um dass, was in diesem Raum geschah und was es mit dem Kartonstück auf sich hat. Also der Raum als solcher ist bedeutungslos, genauso wie der Tisch. Dennoch waren die beiden die Voraussetzung für das regen Treiben hier.

Also nun zum Kartonstück. Es schaut unspektakulär aus. Es ist einfärbig, kartonfärbig, aber mit einem dicken blauen Rand. Aus der Ferne betrachtet, beachtet man es kaum, es geht unter. Aber doch erweckt es das Interesse, weil nichts im Raum ist als der Tisch und dieses Kartonstück.

Um hinter das Geheimnis zu kommen, wäre es vielleicht von Bedeutung, zu sehen, wie das Kartonstück auf der anderen Seite aussieht. Jede Medaille – und auch jede Karte – hat ja zwei Seiten. Aber da wir in den Raum nur hineinsehen können, ist es nicht möglich, das Kartonstück umzudrehen. Es bleibt ein Geheimnis, aber spekulieren darf man.

Doch was passiert jetzt?? Das Kartonstück richtet sich auf, es wird lebendig. Jetzt sind wir der Wahrheit auf der Spur. Doch es bewegt sich so geschickt, dass wir nur die uns bekannte Seite sehen. Oder sieht die zweite Seite genauso aus? Das Kartonstück tanzt auf dem Tisch, rutscht hin und her. Nach einer Weile wirkt es jedoch traurig, stellt sein Herumtanzen ein und neigt den oberen Teil zu Boden. Das Kartonstück fängt an zu weinen. Was war nur geschehen?

Das Kartonstück erinnert sich, dass es viele Geschwister hatte. Aber die Brüder und Schwestern sind nirgends zu sehen. Es ist ganz allein. Ach wie war das früher schön und vor allem lustig, wie alle gemeinsam auf dem Tisch herumgerutscht und geflogen sind. Und jetzt? Und jetzt ist das arme Kartonstück als einziges übriggeblieben.

Was war passiert? Das Kartonstück wurde im Gegensatz zu seinen 31 Geschwistern im Extrazimmer neben der Gaststube vergessen, als das Gasthaus für immer zusperrte. Sein Name: Pick As.