Eine Seite fühlt sich leer. Oder auch anders ausgedrückt ausgebauert, äh, ausgepowert (immer diese eingedeutschten Englischwörter!). Es gibt sie schon sehr sehr lange, und immer hat sie ihre Aufgabe mit Bravour gemeistert. Überall wo sie hinkam, erntete sie tosenden Applaus. Und jetzt? Es scheint alles vorbei zu sein. Die Seite fühlt sich schwach. Vielleicht ist sie altersschwach. Den benachbarten Seiten geht es nicht anders. Eine ihrer Nachbarinnen wurde sogar vor einigen Monaten entfernt und durch eine jüngere ersetzt. Sie ist traurig, wahrscheinlich ereilt sie das gleiche Schicksal. Aber noch ist es ja nicht soweit. Solange sie ihre Schwäche verbergen kann, tut sie es. Und bisher hat sie noch keine kritische Stimme vernommen. Aber sie selbst weiß, dass das Ende nahe ist.
Von außen wird sie und auch die benachbarten Seiten in den höchsten Töne gelobt, weil sie alle gemeinsam eine hervorragende Stimmung verbreiten. Doch wie heißt es so schön: das Ganze ist nur so gut wie ihr schwächstes Glied. Und es ist eine Frage der Zeit, bis die benachbarten Seiten ihren Abgang fordern.
Und diese Forderung wird gnadenlos erhört werden. Die Seite weiß jedoch nicht, was mit ihr geschehen wird. Das macht sie unsicher. Ihr Leben war bisher sehr gut verlaufen. Sie sieht täglich viele neue Gesichter, alle gut gelaunt. Teilweise fangen die Gesichter auch zu singen an, hüpfen wie verrückt durch die Gegend. Ach wie schön ist das Leben.
Und dann ist es soweit. Nach einem letzten wunderschönen Auftritt bringt der Gittarist die Gitarre ins Musikgeschäft und die Seite wird ausgetauscht.
Anmerkung des Autors: „Entschuldigung, mein Fehler. Es handelt sich um eine Seite mit a.“
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